Ein Trichter für Licht
03/27/2020Physikern der Universität Würzburg ist es gemeinsam mit Kollegen in Rostock gelungen, einen Trichter für Licht zu entwickeln. Er könnte als Grundlage für eine neue Generation hochsensibler Sensoren dienen.
Professor Ronny Thomale leitet den Lehrstuhl für Theoretische Physik I an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die Entdeckung neuer Quantenzustände von Materie und deren theoretische Beschreibung ist eines seiner zentralen Forschungsfelder. Ein neues physikalisches Phänomen zu beschreiben und davon ausgehend Experimente zu initiieren, die diesen Effekt zeigen, bezeichnet er als eines der größten Erfolgserlebnisse eines theoretischen Physikers. Wenn dann dieser Effekt sogar ungeahntes technologisches Potential in sich birgt, sei dies der Idealfall.
All dies ist Thomale jetzt bei einem Forschungsprojekt gelungen, das er in Zusammenarbeit mit der optischen Experimentalgruppe um Professor Alexander Szameit von der Universität Rostock umgesetzt hat. In der aktuellen Fachzeitschrift Science stellen die Physiker die Ergebnisse ihrer Arbeit vor.
Punktlandung in einem zehn Kilometer langen Kabel
„Uns ist es gelungen, einen Effekt zu realisieren, der den Namen ‚Lichttrichter‘ trägt“, erklärt Thomale. Lichtsignale in einem zehn Kilometer langen Lichtleiterkabel werden durch diesen neuartigen Effekt an einem spezifischen Punkt gesammelt beziehungsweise fokussiert. Der physikalische Mechanismus, der diesem Phänomen zugrunde liegt, ist der sogenannte „dissipative Skin-Effekt“, zu dessen theoretischem Verständnis Thomale 2019 grundlegende Arbeiten vorgelegt hat. Hierbei hat der Physiker eine Beschreibungsform entwickelt, welche den dissipativen Skin-Effekt in den Rahmen topologischer Zustände von Materie einordnet.
Topologische Materie hat sich zu einem der weltweit aktivsten Forschungsfeld der Physik entwickelt. Maßgeblich wurde dieses Feld durch die Quantenmaterialforschung in Würzburg geprägt, für die Gottfried Landwehr und Klaus von Klitzing in den vergangenen Jahrzehnten Pionierarbeiten geleistet haben und die heute maßgeblich von Laurens W. Molenkamp fortgeführt wird. Von Klitzing erhielt dafür 1985 den Nobelpreis für Physik.
Forschung an der „Lehre des Raumes“
Der Begriff „Topologie“ hat seine Wurzeln im Altgriechischen; er steht übersetzt für „die Lehre des Raums“. Ursprüngliche handelte es sich dabei um eine mathematische Disziplin. Inzwischen hat sie Einzug gehalten in die Forschung an physikalischen Systemen und erstreckt sich auch auf optische Systeme. Zusammen mit weiteren verschiedenen Repräsentanten synthetischer Materie formen diese das große aufstrebende Gebiet der Metamaterialien, von dem sich die Forscher Durchbrüche für unzählige technische Anwendungen erhoffen.
Hierbei greifen die Forscher häufig nicht auf natureigene Materialien und chemische Verbindungen zurück und versuchen diese in der Herstellung zu optimieren. Stattdessen entwickeln sie neue periodische Kristallstrukturen, deren Bestandteile mikroskopisch kleine künstlich hergestellte physikalische Resonatoren verschiedenster Art sein können. Im Falle des jetzt von Thomale und Szameit entwickelten Lichttrichters ist das experimentelle Ausgangssystem ein Lichtleiterkabel, das einerseits Licht linear leiten, aber andererseits auch extern an beliebiger Stelle beeinflusst und adressiert werden kann.
Optische Detektoren mit hoher Sensibilität
„Die Lichtsignalakkumulation durch den Lichttrichter kann die Sensibilität optischer Detektoren enorm verbessern und damit neue optische Anwendungen ermöglichen“, sagt Thomale. Der Lichttrichter sei jedoch nur der Anfang. „Schon jetzt haben wir eine Vielzahl neuer Ideen, wie wir topologische Zustände in der Optik umsetzen und technologisch nutzbar machen können“, versichert Thomale.
Würzburg bietet nach Thomales Worten den „exzellenten Rahmen“ für die weitere Forschung an diesen Materialien – unter anderem mit dem Exzellenzcluster „ct.qmat“, den die TU Dresden und die JMU 2019 aus der Exzellenzstrategie des Bundes erhalten haben. Ein maßgeblicher Fokus von ct.qmat liegt auf der Forschung an synthetischer Materie, die durch die Arbeitsgruppe von Professor Thomale intensiv begleitet wird.
Die Rostocker Arbeitsgruppe um Alexander Szameit konnte hierbei konstitutiv eingebunden werden. Sie ist fester Bestandteil des ct.qmat; Szameit und Thomale betreuen dabei beispielsweise gemeinsam Doktoranden. „Bereits kurze Zeit nach der Gründung von ct.qmat trägt diese Forschungsinitiative somit bereits große Früchte und demonstriert eindrücklich, welche Synergie zwischen Forschern in Deutschland erzeugt werden kann“, lautet denn auch Thomales Fazit.
Originalpublikation
Topological funneling of light. Sebastian Weidemann, Mark Kremer, Tobias Helbig, Tobias Hofmann, Alexander Stegmaier, Martin Greiter, Ronny Thomale, Alexander Szameit. Science 26 Mar 2020, DOI: 10.1126/science.aaz8727
Kontakt
Prof. Dr. Ronny Thomale, Lehrstuhl für Theoretische Physik I, T: +49 931 31-85712, rthomale@physik.uni-wuerzburg.de