Renommierter Preis für Würzburger Physiker
29.11.2021Ronny Thomale, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik an der Universität Würzburg, wurde mit dem Raymond and Beverly Sackler International Prize in Physik ausgezeichnet.
Alle zwei Jahre vergibt ein internationales Komitee unter der Leitung der Universität Tel Aviv den Raymond and Beverly Sackler International Prize in Physik. Die Auszeichnung wird an herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter 45 Jahren verliehen, die bereits in diesem frühen Stadium ihrer Karriere einen einzigartigen und bahnbrechenden Beitrag geleistet haben und zu den weltweit führenden Vertretern auf ihrem Gebiet gehören.
In diesem Jahr teilen sich drei Wissenschaftler die Auszeichnung – einer von ihnen ist Professor Ronny Thomale (39), der seit Oktober 2016 den Lehrstuhl für Theoretische Physik I an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) innehat. Ausgezeichnet wurde er für seine Arbeiten an topologischen elektrischen Schaltkreisen – sogenannte „topolektrische Schaltkreise“. Diese Stromkreisnetzwerke bilden die Simulationsgrundlage für die Entwicklung neuer Materialien mit speziellen topologischen Eigenschaften, die viele technische Anwendungen revolutionieren könnten.
Der Preis hätte eigentlich schon im vergangenen Jahr verliehen werden sollen. Damals ist die Vergabe allerdings der Coronapandemie zum Opfer gefallen.
Auf der Suche nach neuen Materialien
Vor knapp drei Jahren hat das Team um Thomale solche Schaltkreise zum ersten Mal im Labor realisiert. Mit ihnen lassen sich topologische Phänomene viel schneller, günstiger und flexibler als zuvor untersuchen. Im gemeinsamen Exzellenzcluster der JMU und der TU Dresden ct.qmat haben Thomale und weitere Mitglieder des Exzellenzclusters seitdem wichtige Pionierarbeiten zu deren Verständnis geleistet.
Im Mittelpunkt von Thomales Forschung steht neben der Realisierung topologischer Materie in Schaltkreisen die theoretische Beschreibung stark korrelierter Elektronenzustände. Oder anders formuliert: Thomale versucht, das Verhalten einer extrem großen Zahl von Elektronen vorherzusagen und Modelle für deren Wechselwirkungen zu entwickeln. „Extrem groß“ heißt in diesem Fall: bis zu 1023 – einer 1 gefolgt von 23 Nullen. Sein Ziel ist es, neue Quantenzustände von Materie vorherzusagen, mögliche Materialkandidaten zu identifizieren und diese, unterstützt von experimentellen Untersuchungen, besser zu verstehen.
Basis für Quantencomputer und Supraleiter
Warum interessiert sich der Physiker für diese Zustände? „Materialien mit diesen Eigenschaften bringen erstaunliche Phänomene hervor, wie zum Beispiel Supraleitung oder den Quanten-Hall-Effekt“, sagt Thomale. Als topologische Isolatoren könnten sie die Basis für revolutionäre Quantenchips und neuartige technische Anwendungen sein. Eine perspektivische Entwicklung von Thomales Forschung ist deshalb beispielsweise ein Quantencomputer. Solche Rechner sind ungleich schneller und gleichzeitig effizienter als die heutigen Computer. Ohne Quantenmaterialien mit deren topologischen Eigenschaften lassen sie sich allerdings nicht realisieren.
Thomales Arbeiten sollen auch dazu beitragen, eine neue Generation energieeffizienterer Elektronik zu entwickeln. Wesentliches Element dabei ist die Suche nach einem Supraleiter, der schon bei Zimmertemperatur funktioniert und dann Strom verlustfrei leitet. Derzeitige Supraleiter zeigen dieses Eigenschaften erst bei extrem tiefen Temperaturen oder unter sehr hohen Drücken, so dass sie für einen Einsatz jenseits des Labors nicht verwendbar sind.
Eine simple, aber sehr mächtige Plattform
„Die topolektrischen Schaltkreise von Ronny Thomale und seinem Team sind eine simple, aber sehr mächtige Plattform, mit der sich die Physik topologischer Quantenmaterialien simulieren und – vor allem – in ganz neue und anwendungsrelevante Richtungen erweitern lässt“, sagt Professor Ralf Claessen, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Physik IV und Würzburger Sprecher des Exzellenzclusters ct.qmat. „Ihre Entwicklung geschah im Rahmen unseres Exzellenzclusters und ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie die enge Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Feldern zu neuartigen Forschungsansätzen inspirieren und neuen Einsichten führen kann“, so Claessen weiter.
Die weiteren Preisträger in diesem Jahr sind Dr. Yuan Cao von der Harvard University, USA, und Professsor Yiwen Chu von der ETH Zürich. Thomale teilt sich mit ihnen das Preisgeld von 100.000 US-Dollar.
Der Raymond and Beverly Sackler International Prize
Der Raymond and Beverly Sackler International Prize wird in mehreren Kategorien vergeben. Ins Leben gerufen haben ihn der US-amerikanische Unternehmer Dr. Raymond Sackler gemeinsam mit seiner Frau Beverly. Ausgezeichnet werden damit Spitzenleistungen in der Forschung auf dem Gebiet der Biophysik, Chemie und Physik.
Der Preis für Physik wird von der Universität Tel Aviv durch einen beratenden Ausschuss verwaltet, Koordinatoren des Sackler-Preises 2020 sind die Professoren Yoram Dagan und Roni Ilan von der School of Physics and Astronomy.
Frühere Preisträgerinnen und Preisträger
Bei dem Sackler Prize handelt es sich um einen der wichtigsten Preise für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Grundlagenwissenschaften weltweit. Für seine Bedeutung spricht auch die Tatsache, dass zahlreiche der bisher Ausgezeichneten im Laufe ihrer Karriere weitere bedeutende Auszeichnungen erhalten haben.
So erhielt Juan Maldacena (Preisträger im Jahr 2000) später den Breakthrough Prize in Fundamental Physics, der mit drei Millionen Dollar notiert ist. Leo Kouwenhoven (2002) ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der topologischen Quantencomputer. Andrea Ghez (2004) wurde 2020 der Nobelpreis in Physik verliehen. Nima Arkani-Hamed (2008) ist einer der führenden Hochenergiephysiker weltweit. Auch ihm wurde der Breakthrough Prize in Fundamental Physics verliehen. Andrei Bernevig (2014) ist einer der weltweit führenden theoretischen Festkörperphysiker und wurde seitdem ebenfalls mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet.
Kontakt
Prof. Dr. Ronny Thomale, Universität Würzburg, Lehrstuhl für Theoretische Physik I,
T: +49 931 31-86225, rthomale@physik.uni-wuerzburg.de