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Fakultät für Physik und Astronomie

Mit der Leerstelle zum Quantenbit

02.03.2020

Physiker aus Würzburg haben zum ersten Mal Spinzentren experimentell in zweidimensionalen Materialien beobachtet. Diese Zentren können als Quantenbits funktionieren – und das möglicherweise schon bei Raumtemperatur.

Atomar dünne Schicht aus Bornitrid mit einem durch die Bor-Leerstelle gebildeten Spinzentrum. Mit Hilfe der Hochfrequenzanregung (roter Pfeil) ist es möglich, das Qubit zu initialisieren und zu manipulieren.
Atomar dünne Schicht aus Bornitrid mit einem durch die Bor-Leerstelle gebildeten Spinzentrum. Mit Hilfe der Hochfrequenzanregung (roter Pfeil) ist es möglich, das Qubit zu initialisieren und zu manipulieren. (Bild: Mehran Kianinia, University of Technology Sydney)

Bornitrid sieht strukturell dem Graphen zwar sehr ähnlich, hat aber völlig andere optoelektronische Eigenschaften. Seine Bestandteile, die Elemente Bor und Stickstoff, nehmen – wie Kohlenstoffatome im Graphen – eine wabenartige hexagonale Struktur an. Dabei ordnen sie sich in zweidimensionalen Schichten an, die nur eine Atomlage dick sind. Die einzelnen Schichten sind nur schwach durch sogenannte Van-der-Waals-Kräfte miteinander verbunden und lassen sich dementsprechend leicht voneinander trennen.

Publikation in Nature Materials

Physikern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ist es in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Sydney jetzt erstmals gelungen, in einem Bornitrid-Kristall sogenannte Spinzentren experimentell nachzuweisen. Verantwortlich auf Würzburger Seite daran beteiligt war Professor Vladimir Dyakonov, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Physik VI (Energieforschung). Die Ergebnisse der Arbeit sind in der renommierten Fachzeitschrift Nature Materials veröffentlicht.

Für ihre Experimente haben die Physiker die zweidimensionalen Bornitrid-Gitter mit einem spezifischen Defekt versehen – einer Fehlstehle, an der sich eigentlich ein Bor-Atom befinden müsste. Diese Leerstelle sorgt für einen magnetischen Effekt, der in der Fachsprache Spin genannt wird. Außerdem kann sie Licht absorbieren und emittieren. Um diesen Effekt der Photolumineszenz detailliert zu untersuchen, haben die Würzburger Wissenschaftler eine spezielle Methode entwickelt, bei der sowohl ein statisches als auch ein hochfrequentes Magnetfeld zum Einsatz kommen.

Etwas Glück gehört dazu

„Wenn man die Frequenz des Wechselfeldes variiert, trifft man irgendwann genau die Frequenz des Spins, und die Photolumineszenz ändert sich dramatisch“, erklärt Dyakonov. Ein bisschen Glück sei dabei allerdings nötig, schließlich lasse sich nicht vorhersagen, bei welchen Frequenzen man nach unbekannten Spin-Zuständen suchen muss. Dyakonov und sein Team hatten diese bisher nur theoretisch vorhergesagten Zentren im Kristall entdeckt. Sie konnten unter anderem die Spinpolarisation, also die Ausrichtung des magnetischen Moments, des Defekts unter optischer Anregung nachweisen – und das sogar bei Raumtemperatur.

Damit werden die Experimente auch für die technische Anwendung interessant: Weltweit arbeiten Wissenschaftler derzeit daran, ein Festkörpersystem zu finden, in dem der Spin-Zustand ausgerichtet, nach Wunsch manipuliert und später optisch oder elektrisch abgefragt werden kann. „Das von uns identifizierte Spin-Zentrum in Bornitrid erfüllt diese Anforderungen“, erklärt Dyakonov. Weil es einen Spin besitzt, Licht absorbiert und emittiert biete es sich als Quantenbit an zum Einsatz in der Quantensensorik und der Quanteninformation. Auch neue Navigationstechnik könnte mit dieser Technik arbeiten, weshalb Raumfahrtagenturen wie DLR und NASA intensiv an diesem Thema forschen.

Materialdesign wie mit Lego-Bausteinen

Für den Grundlagenforscher ist das Material noch unter einem anderen Gesichtspunkt spannend. Seine sehr spezielle Schichtstruktur, kombiniert mit der nur schwachen Bindung der Schichten untereinander, bietet die Möglichkeit, verschiedene Stapelfolgen aus unterschiedlichen Halbleitern zu konstruieren. „Platziert man dann einen Defekt, Physiker sprechen von einer Spinsonde, in einer dieser Schichten, kann dies dabei helfen, die Eigenschaften der angrenzenden Schichten zu verstehen, aber auch die physikalischen Eigenschaften des gesamten Stapels zu verändern“, so Dyakonov.

In einem nächsten Schritt wollen Dyakonov und seine Mitarbeiter deshalb unter anderem Heterostrukturen herstellen, die aus mehrschichtigen Halbleitern mit einer Bornitrid-Schicht als Zwischenlage aufgebaut sind. Sie sind überzeugt davon: „Wenn die atomar dünnen Schichten des Bornitrids, die mit einzelnen Spinzentren ‚dekoriert‘ sind, erzeugt und in eine Heterostruktur eingebaut werden können, wird es möglich sein, die Eigenschaften von künstlichen zweidimensionalen Kristallen, ähnlich wie mit Lego-Bausteinen, zu designen und untersuchen“.

Förderer

Diese Arbeit wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Sie steht in engem Bezug zum Exzellenzcluster ct.qmat (Würzburg-Dresden), an dem Vladimir Dyakonov als Principle Investigator beteiligt ist.

Publikation

Initialization and read-out of intrinsic spin defects in a van der Waals crystal at room temperature. Andreas Gottschol et al., Nature Materials, DOI: 10.1038/s41563-020-0619-6 https://www.nature.com/articles/s41563-020-0619-6

Kontakt

Prof. Dr. Vladimir Dyakonov, Lehrstuhl für Experimentelle Physik VI (Energieforschung), T +49 931 31-83111, dyakonov@physik.uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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